Dr. Norbert Buhles

Ärztlicher Direktor Reha-Bereich der Asklepios Nordseeklinik Westerland / Sylt

Interview mit Dr. Norbert Buhles, entnommen aus PSO Magazin 3/2016

PSO Magazin: Für Sie ist dieses Jahr (2016) ein besonderes Jubiläumsjahr. Sie sind 25 Jahre Chefarzt in der Asklepios Nordseeklinik auf Sylt und 15 Jahre im Wissenschaftlichen Beirat (WB) des DPB tätig. Was hat sich in den vielen Jahren im Bereich der Reha geändert?

Dr. Buhles: Vor 25 Jahren wurde eine Reha alle drei Jahre genehmigt. Heute sind es alle vier Jahre. Außerdem lag die durchschnittliche Rehadauer für Erwachsene zwischen vier und sechs Wochen. Heute sind es drei bis vier Wochen.

PSO Magazin: Kürzere Verweildauer und längere Abstände zwischen den Reha-Maßnahmen: Bedeutet das, dass die Patienten heute mit schlechteren Therapieerfolgen zu rechnen haben?

Dr. Buhles: Nein, so ist das nicht. Damals waren die Rehaschwerpunkte noch sehr stark vom alten "Kurwesen" beeinflusst. Es gab kaum Systemtherapie und praktisch noch keine Vorträge oder Schulungen. Der Schwerpunkt war die Abheilung der Hautveränderungen mit Hilfe von technischen oder geoklimatologischen Besonderheiten wie sie in der sonnenreichen Region der Nordsee oder des Hochgebirges vorhanden waren.

PSO Magazin: Wann änderte sich das?

Dr. Buhles: Die ersten Ansätze eines Qualitätsmanagements durch die Träger der Rehabilitation sind 1994 eingeführt worden. Es ging damals zuerst einmal um die Anzahl und Qualifikation der Ärzte in einer Reha-Einrichtung, die in einem bestimmten Verhältnis zu den Patienten und den Indikationen stehen musste. Es ging aber auch um die Einführung von Qualitätszirkeln und die ersten Schritte zur "Gesundheitsbildung". Das waren zunächst Themen für jeden wie Alltagsdrogen, Sport und Bewegung, gesunde Ernährung usw. In meiner Abteilung wurden aber ebenfalls zu dieser Zeit die ersten hautspezifischen Vorträge eingeführt.

PSO Magazin: Welche Rolle spielt denn heute die Klimatherapie für Psoriasis-Patienten in der Asklepios Nordseeklinik?

Dr. Buhles: Die Helio- und Thalassotherapie ist heute ein Modul unter vielen. Weil die Gesellschaft älter wird, das Rentenalter sich mehr nach oben verschiebt, die "Zivilisationskrankheiten" gerade bei der Psoriasis zunehmen, müssen in den verschiedenen Modulen der Rehabilitation heute grundsätzliche Aspekte der Stoffwechselproblematik, der Herz-Kreislauf-Problematik, des Bewegungsapparates, des Managements von psychischem Druck in der Arbeitswelt und vieles mehr abgedeckt werden.

PSO Magazin: Was macht eine gute Rehabilitation aus?

Dr. Buhles: Sie betrachtet Behandlung des Psoriasis-Patienten ganzheitlich. Einerseits muss die Haut ihre Entzündung verlieren, damit die komplexen Mechanismen des metabolischen Syndroms (Herz-Kreislauf-Problematik, Stoffwechsel-Problematik, Bewegungsarmut in Verbindung mit Fettleibigkeit usw.) nicht durch die Psoriasis noch befeuert werden. In die Reha-Maßnahmen muss also auch die Prävention und damit die Vorbeugung von Nebendiagnosen bezüglich der Schuppenfl echte und Vermeidung verminderter Lebensqualität durch Erkrankungen des Muskelskeletts oder des Stoffwechsels aufgenommen werden. Unsere sozialmedizinische Strategie ist eben multimodal geworden und wird für jeden Einzelfall neu festzulegen sein. Sie verteilt die verschiedenen Module nicht im "Gießkannenprinzip" auf die Rehabilitanden, sondern sie sucht für jeden die geeignete Modulkombination aus. So kann am Ende – auch nach der vorgegebenen kürzeren Zeit – eine Verhaltensveränderung beim Einzelnen erreicht werden. Gleichzeitig erlernt man seine krankheitsphasengerechte Therapie als Hilfe zur Selbsthilfe (Coping).

PSO Magazin: Durch diese moderne Form der Rehabilitation kann die kürzere Verweildauer kompensiert werden?

Dr. Buhles: Auf jeden Fall. Dazu haben wir im PSO Magazin auch schon Daten veröffentlicht. Sie zeigen, dass durch diese moderne Rehabilitation viele Rückschläge direkt nach der Reha vermieden werden. Auch sechs Monate nach dem Reha-Aufenthalt besteht noch eine hohe positive dermatologische Lebensqualität mit gutem Hautzustand.

PSO Magazin: Neben den nachweisbaren Erfolgen von moderner Reha – gibt es noch etwas, was Sie heute als positiv bewerten?

Dr. Buhles: Als positiv würde ich bewerten, dass wir heute unsere Flexibilität im Sinne der Hilfe zur Selbsthilfe belegen können. Es gibt Qualitätsergebnisse und Benchmarks. Deshalb ist das "Geschmäckle" nicht mehr vorhanden, das eine Reha eher als eine Form des "vom Gesetzgeber bezahlten Kurlaubs" ansah. Mich freut auch, dass die Zusatzbehandlung durch Klimatherapie heute aus ökologischer Sicht neu und positiv bewertet wird.

PSO Magazin: Gibt es auch etwas, was Sie heute als negativ bewerten?

Dr. Buhles: Da wäre zum einen die Unflexibilität der Kostenträger bei der Gewährung von Reha-Maßnahmen. Aber auch das starre Preisgefüge stört mich. Es honoriert einen Mehraufwand durch den Einsatz vieler Module nicht. Die kämen aber den Rehabilitanden zugute. Auch die zusätzlichen Auflagen für eine medizinisch-beruflich orientierte Rehabilitation (MBOR) werden nicht zusätzlich honoriert. Das ist problematisch.

PSO Magazin: Was waren für Sie in 15 Jahren Mitgliedschaft im Wissenschaftlichen Beirat des DPB besonders wichtige Themen in diesem Gremium?

Dr. Buhles: Das prägnanteste Thema war die Implementierung von Eilt-Heilverfahren (EHV), die einen schnelleren Übergang für Psoriasis-Patienten von akut auf Reha ermöglichen. In den 1990er Jahren dauerte es rund drei bis sechs Monate, bis ein Antrag auf Reha nach einem stationären Krankenhausaufenthalt bewilligt wurde. Eine Anschlussheilbehandlung war für Patienten mit Schuppenflechte oder Neurodermitis nicht vorgesehen. Der DPB in Verbindung mit der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft (DDG) konnte den Verband Deutscher Rentenversicherungsträger um die Jahrtausendwende davon überzeugen, dass es auch für Hautpatienten Sinn macht, einen schnellen Übergang von akut zu Reha zu schaffen. Dafür haben Herr Kunz und ich uns sehr eingesetzt. Diese Eilt-Heilverfahren werden seither in verschiedenen Einrichtungen Deutschlandweit praktiziert.

PSO Magazin: An welchen Stellen waren Sie als Reha-Experte im WB noch besonders gefragt?

Dr. Buhles: Der Umfang der Qualitätssicherung nahm zu, die Leitlinienerstellung im rehabilitativen Bereich wurde im Rahmen meiner Mitwirkung bei der Arbeitsgemeinschaft Rehabilitation in der Dermatologie mehr. Heute ist in Kooperation mit der Pädiatrie eine S2-Leitlinie für stationäre dermatologische Rehabilitation als Entwurf vorhanden und zur Einführung bei der Arbeitsgemeinschaft
medizinischer wissenschaftlicher Fachverbände (AWMF) geplant. Hier konnte ich mein Wissen einbringen.

PSO Magazin: Was ist für Sie zur Zeit das wichtigste Thema, das der WB diskutiert?

Dr. Buhles: Aktuell geht es um die Frage, wie die nationale Versorgung von Schuppenflechte-Patienten gelöst wird. Bei dieser Frage müssen alle denkbaren Kostenträger im Boot bleiben und in die Verantwortung genommen werden. Reine Diseasemanagement-Programme (DMP) sind deshalb nicht zielführend. Bei ihnen sind nämlich nur die gesetzlichen Krankenkassen beteiligt.

PSO Magazin: Zum Schluss noch eine Frage an Sie als Reha-Experte. Gibt es einen bestimmten Typ von Psoriasis-Patient, der auf eine Reha besonders positiv reagiert?

Dr. Buhles: Meine erste Antwort würde lauten: Nein! Aber will man es differenzieren, so weiß man heute, dass tatsächlich die schwerstbetroffenen Fälle zunächst einmal in Psoriasiszentren durch die Einleitung einer Systemtherapie bis hin zu Biologika gut profi tieren. Nicht immer heilen die Hauterscheinungen dabei vollständig ab und nicht immer ist die Lebensqualität darunter so gut, dass man nicht eine zusätzliche Maßnahme initiieren kann. Auch der leicht oder mittelschwer erkrankte Patient kann an Gelenkbeteiligung und/oder am metabolischen Syndrom leiden oder noch erkranken.
Aber auch der ehemals schwer Erkrankte, der jetzt unter Systemtherapie steht, kann davon profitieren, dass individuell ausgesuchte Module im Rahmen einer stationären Rehabilitation zur Verfügung stehen. Manchmal müssen medizinisch-beruflich orientiere Rehabilitationsschritte mit eingebaut werden, um dem Patienten die Chance zu geben, entweder in einem Beruf neu Fuß zu fassen oder im alten Beruf weiter bestehen zu können. Ich bin davon überzeugt, dass genau diese Patienten am meisten von der stationären Rehabilitation profitieren. Das zeigen auch Untersuchungen der Kostenträger, wonach die finanzielle Investition in eine Reha-Maßnahme oft so erfolgreich ist, dass durch die dauerhafte Festigung der Arbeitsfähigkeit und Leistungsfähigkeit des Betroffenen tatsächlich entweder eine längere Lebensarbeitszeit oder eine verminderte Arbeitsunfähigkeitshäufigkeit resultiert.