"Ich bin Mitglied, weil nur ein starker und kompetenter Selbsthilfeverband die Interessen der Psoriasiskranken in Politik und Öffentlichkeit vertreten kann. Ein schwacher Verband hat es schwerer, wahrgenommen zu werden. Der Kontakt mit anderen Betroffenen ist wichtig und hilft besonders in schlechten "Psoriasiszeiten". Wir können von den Erfahrungen der anderen Mitglieder lernen und anderen helfen."
Wann sind Sie in den DPB eingetreten?
Das war 1995. Meine Hautärztin hat mich auf die Selbsthilfe aufmerksam gemacht.
Wie geht es Ihnen heute gesundheitlich?
Mir geht es sehr gut.
Wie war Ihr Weg mit Ihrer Erkrankung?
Die ersten Hauterscheinungen habe ich mit etwa 14 Jahren auf dem Kopf bekommen. Ich lebte mit meiner Familie in der Lutherstadt Eisleben. Wir sind in den Sommerferien immer an die Ostsee gefahren. Dabei war es schwer, eine Unterkunft zu bekommen, denn bedingt durch die fehlende Reisefreiheit in der DDR wollte die halbe Republik in der Ostsee baden. Aber mein Vater bemühte sich immer sehr um einen Platz. Er hatte auch Schuppenflechte. Sonne und Salzwasser waren das Nonplusultra für ihn und somit auch für mich. Mit Beginn meiner Lehrzeit ging ich nach Halle (Saale). Ich war wie die meisten Schülerinnen und Schüler der Berufsschule in einem Internat untergebracht.Ich lernte Baufacharbeiter. In dieser Zeit nahm auch die Schuppenflechte etwas zu. Starke Psoriasisherde traten an den Beinen, den Armen und am Kopf auf. Behandelt wurde ich mit UV-Bestrahlung und Salben, in der Regel Dithranol. Das war eine langwierige Angelegenheit. Ich musste immer sechs bis acht Wochen am Stück in die Klinik und wurde dort eingecremt. Die Dosierung war dabei steigend.Dithranol hat eine hartnäckige braune Färbung. Ich hatte mir einen Maleranzug gekauft. Den zog ich zur Behandlung immer an. Der konnte sich einfärben. Dann wurde ich zum Wehrdienst eingezogen. Zur Musterung hatte ich keine Hauterscheinungen und die spätere explosionsartige Ausbreitung am ganzen Körper konnte sich wohl keiner vorstellen. Nach einem viertel Jahr musste ich ins Lazarett. Ich konnte keine Stiefel mehr anziehen und auch den Helm nicht mehr für längere Zeit aufsetzen. Also war ich für diese Institution glücklicherweise nur noch bedingt einsatzfähig. Nach einem halben Jahr wurde ich vom Wehrdienst zurückgestellt und nach Hause geschickt. Ich freute mich, denn nun konnte ich durch den verkürzten Wehrdienst ein Jahr eher mit meinem Studium beginnen. Ich schrieb mich für Bauingenieurwesen in Cottbus ein. Aber bald darauf häuften sich die stationären Aufenthalte. So musste ich 1984 beispielsweise fast sieben Wochen in einer Hautklinik verbringen, 1985 waren es sogar 13 Wochen. Das gewonnene Jahr nützte mir also nichts mehr. Ich brach das erste Studienjahr krankheitsbedingt ab und wiederholte es. Doch die Psoriasis ließ mich auch in den folgenden Jahren nicht los.
1987 und 1990 durfte ich das Sanatorium im Ostseebad Heiligendamm besuchen. Es liegt zwischen Kühlungsborn und Bad Doberan und ist ein magischer, traumhafter Ort, heute ein Nobelressort, später bekannt geworden durch einen G-20 Gipfel und ein Foto mit Riesenstrandkorb und den damals Mächtigen der Welt. Rückblickend muss ich sagen, dass mir die Schuppenflechte etwas von den unbeschwerten Jugendjahren gestohlen hat. Man zieht sich zurück, scheut Kontakte, ist unsicher und oft allein. Wenn man sowieso schon ein eher zurückhaltender Mensch ist, wird diese Eigenschaft durch die Krankheit eher noch verschärft.
Ich wurde später erst zu einer stärkeren, selbstbewussten Persönlichkeit, die auch mit schlimmeren Phasen der Krankheit besser zurechtkam und psychisch gefestigter wurde. Aber auch später gab es immer wieder Zeiten von Krankheitsschüben, die mich nervlich belasteten. Nach 1990 wurde auch ich in die Umbrüche der Wende hineingezogen. Ich wurde arbeitslos und musste mich beruflich und örtlich neu orientieren. Ich zog nach Dresden und fand dort glücklicherweise eine Arbeit als Bautechniker. Die offenen Grenzen und die neue Zeit weckten in mir den Wunsch, auch therapeutisch zu neuen Ufern aufzubrechen. Ich fuhr zu einem Heilpraktiker nach Westberlin und experimentierte mit Homöopathie und Eigenbluttherapie. Das hatte wechselnden Erfolg und wurde auf Dauer zu teuer. Die erste Reha nach der Wende brachte mich auf die Nordseeinsel Borkum. Ich hatte dort kein Glück. Der Hautzustand verschlimmerte sich sehr, so dass ich die Kur abbrach. Irgendetwas stimmte dort nicht, vielleicht hatte ein Sonnenbrand einen extremen Schub ausgelöst. Irgendwo hatte ich dann von diesen Knabberfischen in der östlichen Türkei gehört, die die Psoriasis-Schuppen wegknabbern sollen. Dort wollte ich hin. Es war mental wie eine Rettungsinsel. So reiste ich nach Kangal. Der Erfolg war erstaunlich. Ob es am Klima lag oder an diesem besonderen Thermalwasser, den besonderen Reaktionen von Fisch und Haut – wer wusste das schon? Mir hatte es jedenfalls geholfen und ich bin erscheinungsfrei zu Hause angekommen. Das war für mich eine Sensation und für andere auch. Leider wurde die Therapie mit Kangalfischen später medial aufgebauscht. Es gab Befürworter und totale Gegner, eine seriöse Expertise fehlte damals. Es eröffneten sogar Studios mit diesen Fischen in Deutschland. Unter Berücksichtigung von Tierschutz und Hygiene finde ich das heute eine fragwürdige Angelegenheit. Damals bin ich noch ein zweites Mal in die Türkei zu den Kangalfischen gefahren. Da das Land ja auch touristisch einiges zu bieten hat, haben wir uns in einer Gruppe zu dritt auf den Weg gemacht. Ein weiteres Mitglied aus dem DPB war dabei. Leider war der therapeutische Erfolg bei uns beiden nicht so gut wie bei meinem ersten Mal.
Meine Arbeit in der Selbsthilfe begann Ende der neunziger Jahre. Alles war neu und interessant. Ich lernte tolle Menschen kennen, und es gab hervorragende Seminarangebote an interessanten Orten. Wir haben versucht, im Rahmen unserer Möglichkeiten und des vorhandenen Zeitbudgets, für Menschen mit Psoriasis im Raum Dresden Ansprechpartner zu werden. Wir haben Vorträge organisiert, und es bildete sich eine Struktur von Mitgliedern mit einem harten Kern. So starke Mitgliederzahlen wie in den westlichen Bundesländern konnten wir in Dresden allerdings nie erreichen. Vor einigen Jahren sank die Zahl der aktiven Teilnehmer an den Treffen unter fünf Personen. Damit war der Status als DPB-Regionalgruppe nicht mehr zu halten. Ich denke, eine große Rolle spielte zuerst das Internet. Später kamen die sozialen Medien hinzu. Man musste nicht mehr in Gruppen gehen, um andere Menschen mit Schuppenflechte und ihre Erfahrungen kennenzulernen. Auch die Mitarbeit aller ist für die Gruppe wichtig. Das Engagement von zuletzt zwei bis drei Personen war zu wenig. Die sozialpolitische Bedeutung der Selbsthilfe und ihrer Lobbyarbeit war und ist für die meisten Menschen auch nicht greifbar und anscheinend leider auch nicht von Interesse. Man hat ein Problem, möchte sich Rat und Informationen holen und geht nach einiger Zeit wieder, vielleicht auch weil Erwartungen an die Gruppe und eine schnelle Lösung des Krankheitsproblems nicht erfüllt werden konnten. Durch berufliche Anspannungen und andere Dinge fehlten mir Zeit und Kraft. Deshalb nahm ich in den letzten Jahren nur noch die Funktion als DPB-Kontaktperson wahr. In den 2000er Jahren gab es für mich die ambulante Bade-PUVA-Therapie und Badetherapien mit Salzwasser und Bestrahlungen. Weiterhin bekam ich Tabletten mit dem Wirkstoff Fumarsäureester und MTX-Spritzen. Beide Therapien mussten abgebrochen werden, weil sich mein Blutbild jeweils verschlechterte.
Ich hatte auch noch wieder einen Reha-Aufenthalt. Dieses Mal kam ich ins Ostseebad Heringsdorf. Hier durfte ich in die Kältekammer. Die ist eigentlich für Patientinnen und Patienten mit Rheuma vorgesehen, aber ich durfte es trotzdem ausprobieren. Sich einer Temperatur von minus 110 Grad Celsius auszusetzen, ist schon eine interessante Erfahrung. Ich erhielt dort auch Akupunktur. Meine Psoriasis hat sich tatsächlich gebessert. Aber ob es nun die Kältekammer oder die Akupunktur oder beides zusammen war, lässt sich im Nachhinein nicht sagen. Vier Wochen aus dem Alltag herauszukommen, ist ja sowieso auch schon immer gut für das Allgemeinbefinden. Die Psoriasis kam leider sehr schnell zurück. In dieser Zeit ging es mir gar nicht gut. Ich konnte dem Wachsen der Psoriasisherde regelrecht zusehen. Die roten, schuppigen Hautflächen wuchsen flächenmäßig extrem, die Haut schuppte stark und riss auf. An manchen Tagen hielt ich es nicht mehr aus. Im Büro ging ich auf die Toilette, um mich zu kratzen und einzucremen. Sonst hielt ich die Zeit nicht aus, bis ich wieder nach Hause fahren konnte. Das war ein unhaltbarer Zustand. In der Ambulanz der Uniklinik Dresden wurde mir die Teilnahme an Studien des Studienzentrums der Uniklinik für Dermatologie vermittelt. Ich nahm an zwei Studien teil. Die erste war eine Therapie mit Fumarsäureestern. Sie hat ganz gut funktioniert. Die zweite Studie war mit einem Biologikum und hatte einen sehr guten Erfolg. Fünf Jahre dauerte die Studie. Ich war über die gesamte Zeit erscheinungsfrei. Das war eine tolle Zeit. Als die Studie beendet war, musste ich mich neu orientieren. Die Uniklinik konnte mich nicht länger behandeln und ich musste eine Hautarztpraxis suchen. Dort bekam ich zunächst eine systemische Therapie mit einem Fumarsäureester- Präparat verschrieben. Auch hier veränderte sich leider wieder das Blutbild, so dass die Therapie abgebrochen werden musste.
Zwischenzeitlich veränderte sich mein Hautbild äußerst ungünstig und die oben bereits beschriebenen Erfahrungen mit großflächig juckenden und aufreißenden Hautflächen wiederholten sich. Besonders belastend war diesmal, dass eine von mir erhoffte Verbesserung des Zustandes im Sommerurlaub am Meer nicht eintrat, ganz im Gegenteil. Wegen der Unverträglichkeiten der bisher verwendeten systemischen Therapien konnte jetzt endlich das von mir erhoffte Präparat verschrieben werden – es war wieder ein Biologikum. Das nehme ich bis heute und bin somit seit eineinhalb Jahren damit erscheinungsfrei. Eventuelle Risiken werden durch den Gewinn an Lebensqualität aufgewogen. Veränderungen des Blutbildes wie Veränderungen am Eisenspiegel und dem Spiegel der weißen Blutkörperchen werden gegenwärtig abgeklärt. Natürlich ist der lange Beipackzettel mit möglichen Nebenwirkungen, die zum Glück bisher nicht aufgetreten sind immer so eine Sache. Auch die in den letzten Jahren erforschten Zusammenhänge zwischen dem Auftreten der Psoriasis und der Häufigkeit von anderen Krankheiten sollten hier nicht unerwähnt bleiben. Das hat das Bild dieser Krankheit wesentlich verändert. Damit ist der Spruch „Die Schuppenflechte sieht schlimm aus, aber man kann damit 100 Jahre werden“ eigentlich Geschichte. Ich habe zum Glück keine dieser Begleiterkrankungen. Aber ich denke, man muss aufpassen und auch ein bisschen selbst etwas tun. Man kann nicht nur erwarten, dass der Arzt einem etwas aufschreibt, und alles wird wieder gut. Zumindest auf sein Gewicht und den Alkoholkonsum kann man aufpassen und sollte es auch.
Zum Schluss kommen mir noch einige Gedanken zum Januskopf, dem Logo des Deutschen Psoriasis Bundes. Es ist der Kopf mit den zwei Gesichtern. Er wird dieser Krankheit bildhaft gerecht. Mein Leben mit der Psoriasis hat Licht und Schatten. Vielleicht war es bis jetzt auch – wie man so schön sagt – eine Reise, bei der die Psoriasis einige Knöpfe oder Ampeln im Lebenslauf beziehungsweise bei der Lebensgestaltung mitgedrückt hat. Ich hoffe jetzt jedenfalls, dass mir das Glück mit meiner Biologika-Therapie weiterhin treu bleibt, das Blutbild sich nicht ungünstig verändert oder andere Dinge auftreten. Bleibenden Eindruck hinterließen übrigens zwei Reisen mit dem DPB an das Tote Meer in Jordanien. Unvergesslich sind die Landschaft und die Fähigkeit des Wassers im Toten Meer, den Menschen im Wasser quasi schweben zu lassen.
Interview entnommen aus PSO Magazin 4/2020