Berührungsängste abbauen

BEGINN-Studie schult Menschen in körpernahen Berufen zu den Themen Psoriasis und Stigmatisierung

Viele Menschen mit einer sichtbaren Hauterkrankung wie der Psoriasis sind abfälligen Blicken und abwertenden Bemerkungen ausgesetzt. Das zeigt eine Umfrage aus dem Jahr 2020, die der Deutsche Psoriasis Bund e.V. (DPB) zusammen mit dem Internet-Selbsthilfeportal Psoriasis-Netz durchgeführt hat. Besonders hart trifft es diejenigen, die von anderen gemieden und ausgegrenzt werden. Das Fachwort dafür ist Stigmatisierung.

Stigmatisierung hat viel mit Voreinstellungen und mit Wissenslücken zu tun. Menschen mit sichtbaren Hautleiden sehen anders aus, anders als die "Norm". Und ungewohnte Dinge erzeugen bei vielen Menschen Angst und Ablehnung. In einer Studie wird zurzeit untersucht, inwieweit eine Schulung dazu beitragen kann, Stigmatisierung zurückzudrängen. Die Studie trägt den Namen BEGINN. Das steht für "Beruf und Gesundheit in körpernahen Dienstleistungen". Leiterin ist Juliane Traxler, Psychologin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin in der Forschungsgruppe Menschenorientierte Versorgungsforschung am Institut für Versorgungsforschung in der Dermatologie und bei Pflegeberufen des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf (UKE). Der DPB ist Kooperationspartner bei diesem Studien-Projekt, das von der Hautpflege-Marke Eucerin der Beiersdorf AG im Rahmen ihrer "Eucerin Social Mission" gefördert wird.

"Die Idee dahinter ist, Menschen zu schulen, die mit Psoriasis-Erkrankten hautnah in Kontakt kommen. Denn wir wissen aus Studien, dass für Erkrankte solche Begegnungen sehr unangenehm und stigmatisierend sein können", sagt Traxler. Die ausgewählten Berufsgruppen waren Friseur:innen, Kosmetiker:innen, Physiotherapeut:innen und Pflegekräfte. Um zu testen, ob die Schulung tatsächlich anti-stigmatisierend wirkte, mussten die Teilnehmenden vorher, direkt nachher und nach drei Monaten einen Fragebogen ausfüllen. Es gab auch eine Kontrollgruppe, die ohne Schulung diesen Fragenbogen ausgefüllt hat. So konnte ermittelt werden, ob wirklich die Schulung der Grund für besseres Wissen und veränderte Einstellungen war. Die Schulung selbst dauerte zweieinhalb Stunden und war im Zuge eines Vorgängerprojektes namens ECHT (= Entstigmatisierung bei sichtbaren chronischen Hauterkrankungen) entwickelt und getestet worden.

Messbarer Erfolg

Bewährt haben sich drei Einheiten. Die erste beinhaltet ein Nachdenken darüber, ob und wie die Teilnehmenden selbst Stigmatisierung erleben. "Das können ein Sprachfehler, fehlende deutsche Sprachkenntnisse, die Hautfarbe oder ganz andere Dinge sein", erläutert Traxler. In der zweiten Einheit wird theoretisch über die Hauterkrankung Psoriasis aufgeklärt und über die Frage gesprochen: Was ist eigentlich Stigmatisierung? Im dritten Teil berichtet eine betroffene Person über ihre Erfahrungen mit Stigmatisierung.

"Noch steht die Auswertung der letzten Befragung aus, aber es lässt sich jetzt schon sagen, dass die Schulung das Wissen über und die Einstellungen der Teilnehmenden zu Menschen mit sichtbaren Hauterkrankungen deutlich verändert hat", sagt die junge Hamburger Forscherin. Die krankheitsbezogenen Fehlannahmen hätten ebenso abgenommen wie der Wunsch nach Distanz zu erkrankten Personen.

"Die Sensibilisierung für dieses Thema war superinteressant", berichtet Susanne Warnecke, eine Teilnehmerin der Schulung. Das Nachdenken und Sprechen darüber, wo und wie eine sichtbare Hauterkrankung sowohl die Betroffenen als auch die Kolleginnen und Kollegen beeinträchtigt, empfand sie als sehr lehrreich. Warnecke ist Friseurin und arbeitete zuletzt als Dozentin für Meisterkurse. Sie weiß aus Erfahrung, dass in körpernahen Berufen aufgeklärt werden muss, denn: "Ja, es ist Friseurinnen unangenehm, Kunden mit sichtbaren Hauterkrankungen zu bedienen." Deshalb plädiert sie für Schulungen von jungen Auszubildenden. "Je älter man
wird, desto mehr hat man ja gesehen", sagt Warnecke. Spannend fand sie die Sensibilisierung darüber, wie sehr die Erkrankung Kundinnen und Kunden sowie Kolleginnen und Kollegen gleichzeitig beeinträchtigt.

Beeindruckt war sie von der Offenheit, mit der der Betroffene Fiete Otte über seine Psoriasis und seine Erfahrungen mit Stigmatisierung berichtet hat. "Das holt die Menschen ab, wenn jemand von seinen persönlichen Erfahrungen spricht", sagt sie. "Dann kommt die Empathie."

Fiete Otte hat Psoriasis seit er 17 Jahre alt ist. Er hat bereits für die ECHT-Studie in Schulungen vor Medizinstudierenden und Erzieherinnen und Erziehern von seinen Stigmatisierungserlebnissen erzählt (siehe PSO Magazin 4/23).

"Ich empfinde diese Begegnungen als sehr positiv - sowohl für mich als auch für die Teilnehmenden der Schulung", sagt der Hamburger. "Ausgrenzung findet täglich statt. Darüber muss man sprechen. Nur wenn Betroffene und Nicht-Betroffene bereit sind, aufeinander zuzugehen, kann man Entstigmatisierung erreichen", ist die Erfahrung des 63-Jährigen. Das Nachdenken über seine persönlichen Stigmatisierungserlebnisse und seine Selbst-Stigmatisierung hat auch ihm geholfen, sich und seine Krankheit besser zu verstehen.

Eigene Erfahrungen

Insgesamt wurden während der BEGINN-Studie 120 Teilnehmende in 15 Seminaren je zweieinhalb Stunden geschult - mit messbarem Erfolg. Jetzt überlegt das Forschungsteam, wie es weitergehen kann. Eine flächendeckende Implementierung dieser Schulung in der Ausbildung von Menschen in körpernahen Berufen, zu denen auch die Bereiche Medizin und Pflege gehören würden, wäre zwar besonders effektiv, erscheint jedoch zunächst noch in weiter Ferne. Denn das wäre nicht nur teuer, es müsste auch genügend Schulungspersonal gefunden werden und natürlich Betroffene wie Fiete Otte, die offen und eindrücklich über ihre Stigmatisierungserfahrungen erzählen könnten.

"Das Interesse ist da", sagt Traxler, die gerade Kontakt in den Bereich Pharmazie aufgenommen hat. Sie denkt, dass der theoretische Teil der Schulung auch online durchgeführt werden könnte. Und auch der Betroffenenbericht könnte als Film abgespielt werden. "Das würde wahrscheinlich zumindest kleine Effekte haben", vermutet die Forscherin, die allerdings weiß, dass durch den persönlichen Kontakt deutlich größere Effekte erzielt werden können. "Online kann man tiefer liegende Ängste nicht erreichen." Der Plan der Forschenden ist auf jeden Fall, dass es weitergehen soll. "Wir werden das Thema auf vielen Konferenzen vorstellen, und wir haben noch weitere Ideen für Folgestudien", sagt Traxler. "Wir hoffen, dass wir etwas bewegen können."